Wenn es einen wirklich schlechten Zeitpunkt gab, um in Luxemburg ein Spitzenrestaurant zu eröffnen, dann war es wohl dieser. Am 9. März 2020 unterzeichneten Julien Lucas und seine Frau Camille Tardif mit dem Vermieter den Vertrag für ihr neues Restaurant. Am 16. März begann der Corona-Lockdown. „Wir verdoppeln unsere Ideen und unsere Anstrengungen, um Lösungen zu finden. Wir werden stärker aus dieser Krise herauskommen“, sagt Julien Lucas.
Während der ersten zwölf Monate in Luxemburg war die „La Villa de Camille et Julien“ in der Rue de Pulvermühl gerade einmal fünfeinhalb Monate geöffnet. „Wir sind alle unsere Verpflichtungen vor dem Lockdown eingegangen – natürlich ohne zu wissen, dass der kommen würde“, sagt Camille Tardif. Von den ersten Lockdown-Hilfen habe man nichts bekommen, weil es das Restaurant noch nicht lange genug gab. Und wenn danach der luxemburgische Staat half, dann mit mehrmonatiger Verspätung.
Wer ein Restaurant eröffnet, hat immer viel Arbeit vor sich. Ganz besonders schwierig aber wird es, wenn man sich in einer Stadt, die einen noch nicht kennt, kaum zeigen kann. Dabei bringt dieses Gastronomen-Paar aus Frankreich allerbeste Voraussetzung mit. Julien Lucas (35), in vierter Generation Koch aus Forbach vor den Toren Saarbrückens, hat nach der Hotelfachschule in Sarreguemines beim legendären Joël Robuchon gelernt, später in Paris für ihn gearbeitet. „Nach der ersten Woche bei Robuchon wusste ich, dass das genau das war, was ich machen wollte.“ Er kochte für Alain Ducasse in London und auf dem Eiffelturm. Und als Küchenchef vom Jeu de Paume in Chantilly bekam er seinen ersten Michelin-Stern.
Nun also Luxemburg. Ein großer, geräumiger, moderner und dennoch sehr gemütlich und fast familiär gestalteter Saal wartet auf seine Gäste. Er ist das Werk von Camille Tardif, mit ihrem beruflichen Hintergrund in in der Hotelbranche, zwischen der luxuriösen Four-Seasons-Gruppe und der emblematischen Relais & Châteaux-Kette. Luxemburg ist der Versuch, nach Jahren voller Umzüge und Wechsel den eigenen Eltern näher zu sein und ein Heim für die gemeinsame Tochter zu schaffen. „Es wird Zeit, etwas mehr Stabilität zu finden“, sagt Julien Lucas.
„Wir möchten, dass die Leute kommen, um uns zu treffen. Und sie sollen das Gefühl haben, wie zu Hause zu essen.“
Für das Paar ist „die Herausforderung groß. Diese Einrichtung hat eine lange Geschichte. „Es liegt an uns, eine neue Seite zu schreiben. Es ist jetzt unser Haus und wir versuchen es jeden Tag mehr nach unserem Geschmack zu gestalten“, sagt der junge Chefkoch. „Wir möchten, dass die Leute kommen, um uns zu treffen. Und sie sollen das Gefühl haben, wie zu Hause zu essen.“ Die französische Kunst, entspannt zu leben, ist die Besonderheit, die er hervorheben möchte. Im ersten Stock gibt es ein Fumoir, die Terrasse auf drei Ebenen beherbergt unten einen Gemüsegarten, die 1. und 2. Terrasse stehen für Aperitifs und Digestifs zur Verfügung. Das Essen wird drinnen serviert. Die Idee ist, den Kunden mehrere Bereiche anzubieten.
Als man endlich öffnen konnte, am 9. Juni 2020, hatte alles vielversprechend begonnen. Die mitgebrachte Küchenequipe konnte sich endlich ans Werk machen und sich mit Speisen wie Hummer an Sauerampfer, einem Hasen à la Robuchon oder auch Coquilles St. Jacques an einer Williamsbirne mit wildem Ingwer beschäftigen. Von einer „Küche mit französischem Savoir-Faire“ spricht Julien Lucas: „Die französische Lebensart ist unsere Identität“, sagt er.
Gut lief das aber, wie in der gesamten Gastronomie, nur bis zum Beginn des zweiten Lockdowns. „Wir wurden gezwungen, unser Restaurant zu schließen, ohne Aussicht auf Wiedereröffnung, das ist schwer zu akzeptieren“, erklärt er mit einer Mischung aus Traurigkeit, Angst und Ärger. „Aber wir kämpfen dafür, nicht vergessen zu werden.“
Aufgeben können und wollen sich Camille und Julien nicht leisten: „Diese Schließung wurde uns aufgezwungen. Aber wir sollten schauen, ob da nicht vielleicht auch etwas Gutes drinsteckt.“ Der Lockdown habe gezeigt, dass Take-out nicht die exklusive Domäne von Pizza- und Sushi-Bars ist. „Es hat sich auch eine schöne Solidarität zwischen den Köchen entwickelt.“ So entwarf Küchenchef Julien Lucas mit den Köchen Ilario Mosconi, Arnaud Magnier und Cyril Molard eine Sterne-Box zum Mitnehmen.
„Das Restaurant bleibt unsere Priorität, aber wir werden uns neu erfinden müssen, wenn dieser zweite Lockdown vorbei ist“, so Julien weiter. Das Ehepaar ist sich einig, dass aus diesen wiederholten Ausgangssperren eine neue Art des Konsums entstehen kann, und denkt daher daran, auch nach dem Lockdown eine Box für die Wochenenden anzubieten. Warum sollte ein Paar, das keinen Babysitter findet, nicht einfach eine Essensbox bestellen? Warum muss jemand, der wegen einer Erkältung daheimbleibt, auf gutes Essen verzichten? Und eine Flasche Champagner zu einem guten Essen könne man auch im Bademantel zuhause öffnen. „Wir haben das früher nie gemacht. Aber jetzt wissen wir, wie es geht.“
LA VILLA DE CAMILLE ET JULIEN
5, Rue de Pulvermühl — L-2356 Luxembourg
Tel. +352 / 28 99 39 93