Ein Stern löst den anderen ab
Es ist ein Generationenwechsel. Seit 1987 trägt die- ses Restaurant stolz einen Michelin-Stern. Aber seit Ende 2019 gehört er nicht mehr Léa Linster in Frisange, sondern deren Sohn Louis (29). 2017 wurde er Chef in jenem Etablissement, das weiterhin den Namen seiner prominenten Mutter trägt. „Am Namen hat sich nichts geändert, denn es war ja schließlich meine Mutter, die dieses Haus bekannt gemacht hat“, sagt Louis Linster. Ansonsten aber macht der neue Chef manches neu. Ganz behutsam, natürlich.
Dass Louis Linster das Lokal übernehmen würde, war zumindest zeitweilig nicht ganz selbstverständlich. „Als ich die Schule beendet hatte, hatte ich auch genug vom Restaurant“, erinnert er sich. „Ich hatte 18 Jahre lang über dem Restaurant gewohnt und wollte etwas anderes sehen.“ Also studierte er in Lausanne Betriebswirtschaft, weil er sich fürs Management interessierte. Nach zwei- einhalb Jahren kehrte er nach Luxemburg zurück. Aber noch bevor er seinen Bachelor machen konnte, begann er, seiner Mutter zu helfen. „Sie war alleine und sie brauchte ein bisschen Hilfe.“
Er blieb im Restaurant. Nicht nur, weil seine Mutter fand, er sei alt genug, um auch
in der Küche zu arbeiten. „Ich hatte plötzlich auch ganz viel Freude daran“, sagt
Louis Linster. „Vielleicht habe ich das in meinen Genen. Ich bin da aufgewachsen.
Es war ganz natürlich und ich habe nicht groß überlegt.“ Dass die Arbeit hart ist,
schreckte ihn nicht: „Ich kannte nichts anderes. Meine Mutter arbeitete 12 Stunden am Tag.“ Schon als Neunjähriger half er sonntags oft in der Küche. Als Zwölfjähriger begann er, sich gelegentlich das Essen selbst zu machen: „Nudeln, Omelette, Crèpes.“ Und spä- ter verbrachte er als Jugendlicher viel Zeit am Herd: „Ich habe Sachen so lange versucht, bis sie mir gelungen sind. Ich wollte auch immer wissen, warum etwas so und nicht anders gemacht wird.“ Eine klassische Ausbildung hat er nicht. Louis Linster ist, wie manche Spitzenköche, Auto- didakt und vor allem ein Schüler seiner Mutter. „Ich habe viel von ihr gelernt. Und ich habe viel ausprobiert und sehr viele Bücher gelesen.“
„Vorher war das eine traditionelle französische Küche. Jetzt ist es eine moderne französische Küche mit Elementen aus der ganzen Welt.“
2012 begann er, an den Wochenenden in der Küche zu arbeiten, seit 2015 ist er dann voll und ganz dabei. Und 2017 übernahm er auch offiziell die Verantwortung. „Am Anfang war das ganz sicher etwas schwierig für meine Mutter“, sagt Louis Linster. Es sei wohl nicht die Sorge um das Restaurant und den neuen Chef gewesen: „Aber wenn man dreißig Jahre lang daran gewöhnt war, täglich zu arbeiten, dann ist es schwer, von einem Tag auf den anderen aufzuhören und keine Komplimente der Kunden mehr zu bekommen.“
Vieles ist jetzt anders. Das Personal – darunter acht Mit- arbeiter in der Küche und fünf im Service – wurde ausge- tauscht. Statt À la carte und Menü gibt es jetzt nur noch das Menü. Allerdings mit vielen Auswahlmöglichkeiten bei den einzelnen Gängen. Und auch der Charakter der Küche hat sich laut Louis Linster etwas geändert: „Vorher war das eine traditionelle französische Küche. Jetzt ist es eine moderne französische Küche mit Elementen aus der ganzen Welt.“ Der Guide Michelin spricht von „dezenter Neuinterpretation der traditionellen Gerichte“. Und was sagt die Mama dazu? Louis Linster lacht herzlich: „Die mag das auch. Sie hat erst vor ein paar Tagen hier geges- sen.“ Vollständig aufs Altenteil hat sie sich ohnehin noch nicht zurückgezogen: Bei vielen der überaus beliebten Kochkurse ist sie dabei.
Könnte aus Louis Linster ein ähnlich prominenter Fernsehkoch werden, wie es seine Mutter vor allem im deutschen Fernsehen war? „Im Moment interessiert mich das nicht. Man muss Prioritäten setzen. Und wenn man im Fernsehen ist, kann man nicht in der Küche sein.“ Zu den Prioritäten gehört eher ein zweiter Michelin-Stern: „Es geht vor allem um die Bestätigung dafür, dass man nicht täg-
lich fünfzehn Stunden umsonst gearbeitet hat.“ Er freut sich über viele jüngere Kunden: „Die sind Ende zwanzig oder Anfang dreißig und wollen Dinge entdecken, die sie nicht kennen.“ Und falls jemand nach dem berühmten Lammrücken in Kartoffelkruste fragt, mit dem Léa Lins- ter 1989 als einzige Frau die höchste Kochauszeichnung „Bocuse d’Or“ gewann: Er steht nicht mehr auf der Karte – aber wer danach fragt, bekommt ihn natürlich.
RESTAURANT LÉA LINSTER
17, Lëtzebuergerstrooss — L-5752 Frisange
Tel. +352 / 23 66 84 11