Vanille verfeinert nicht nur Dessert-Saucen und Eis. Sie ist eins der teuersten Gewürze der Welt und eine Diva. Die Geschichte einer Eroberung, die nicht vor Tricks und Täuschereien Halt machte
Die Vanille ist eine Orchidee und Orchideen gelten als „Königin der Blumen“. Da wundert es wenig, dass die Vanille für viele Köche sogar die „Königin der Gewürze“ ist. Wie es sich für eine Hoheit gehört, gibt sich die Pflanze ein wenig eigen und unnahbar.
In ihrer Ursprungsheimat Mexiko lässt sie nur einige Kolibri-Arten und die Melipona-Biene an sich heran. Eine Membran trennt Pollen und Stempel voneinander, sodass es nicht zur Bestäubung kommen kann. Kolibris mit ihren spitzen Schnäbeln können die Membran jedoch auftrennen, die Melipona- und Eulaema-Bienen sind so winzig, dass sie tief genug in die Blüte vordringen und sie befruchten kann. Wie bei vielen Naturgeheimnissen entschlüsselte sich das erst durch einen Zufall.
Als der belgische Naturforscher Charles Morren im Jahre 1836 auf einer Veranda im mexikanischen Papantla einen Kaffee trank, sah er, wie dunkle Bienen in die Blüten einer neben ihm rankenden Pflanze krabbelten und mit Pollen an ihren Beinchen herauskamen. Nur wenige Tage später begannen kleine Schoten zu wachsen. Morren versuchte später, per Hand zu bestäuben. Mit mäßigem Erfolg. Der 12-jährige Edmond Albius war ein paar Jahre später geschickter. Auf der Île Bourbon, die heute La Réunion heißt, schuftete er als Sklave in der Landwirtschaft und schaffte es, mit einem Kaktusstachel die Blüten künstlich zu befruchten.
Der weltweiten Karriere der Vanille war der Boden bereitet. So kommt es, dass die Bauern auch noch heute, nach über 150 Jahren, mit Hilfe eines Bambus- oder Orangenbaumzweiges ihre Pflanzen im Plantagen-Anbau bestäuben, ohne sich auf die Launen von Insekten und Vögel verlassen zu müssen.
Einreiben für mehr Erotik
Das war rund 400 Jahre, nachdem die Azteken in ihrem Reich die Vanille nicht nur als Gewürz, sondern auch als Zahlmittel und als Medizin verwendeten. Die Ureinwohner glaubten, die Schote habe Zauberkräfte und könne die erotische Anziehungskraft erhöhen. Deshalb rieben sich viele mit Vanille ein und versprachen sich so mehr erotische Verführungsmacht.
Als die Spanier Anfang des 16. Jahrhunderts den Azteken allen Reichtum raubten, brachten sie auch die Vanille als Trophäe mit auf den alten Kontinent. An den Adelshäusern und bei Hofe versüßte sie die ebenfalls gerade in Mode gekommene heiße Schokolade. Es dauerte noch rund 300 Jahre, bis die Vanille zur Massenware wurde und heute auf La Réunion, in Indonesien, auf den Komoren, auf Tahiti, in Mexiko und natürlich Madagaskar angebaut wird. Von der Insel im indischen Ozean vor der Südostküste Afrikas stammen fast 80 Prozent aller verkauften Vanille, der Boden und das feucht-warme Klima sind dort wie gemacht für die Gewürzorchidee, die oft zusammen mit Zuckerrohr oder Kakaobäumen angebaut wird, an denen sie emporranken kann.
Ein langer Weg bis zum vollen Aroma
Ist die Bestäubung schon aufwendig, beim monatelange Reifen nach der Ernte zeigt die Vanille, wie lange es braucht, bis sie ihre ganze Duft-Pracht preisgibt.
Bis eine neue Pflanze das erste Mal Früchte trägt, vergehen meist fünf Jahre. Die Bauern müssen beim Ernten genau hinschauen, denn die länglichen, etwa 30 Zentimeter langen Schoten sind noch grün, wenn sie schon reif sind. Niemand würde zu dem Zeitpunkt ihren Geschmack als verführerisch empfinden. Sie schmecken grasig und bitter.
Der betörende Duft entwickelt sich erst durch Fermentation. Dafür müssen die Schoten zunächst in heißem Wasser blanchiert werden. Anschließend trocknen sie mal in der prallen Hitze und schwitzen dann in Decken oder Reissäcke eingehüllt. Der Wechsel von Sonne und Schatten kann Monate dauern. Langsam ändern sie ihre Farbe von grün zu rostbraun und schwarz und bekommen den herrlich öligen Glanz. Die Frucht entwickelt so ihren charakteristischen Aromastoff Vanillin und verliert viel an Gewicht. Aus sechs Kilogramm einst grüner Schoten bleibt am Ende nur ein Kilo Gourmet-Vanille übrig. Die teuersten Sorten kosten bis zu 1000 Euro pro Kilo.
Synthetische Vanille
Bei dieser langwierigen Prozedur und dem horrenden Preis wundert es kaum, dass Industrielle schon früh begannen, die echte Vanille synthetisch nachzubauen. Der deutsche Chemiker Wilhelm Haarmann gewann 1874 aus immergrünen Nadelbäumen den Stoff Coniferin und stellte durch Spaltung von Zucker daraus Vanillin her. Heute sind die Fälschungen noch ausgeklügelter. Biotechnologisch gewinnt man den Duft aus Schimmelpilzen und Bakterien der Ferulasäure, die in Pflanzen wie Stinkasant und Reis sowie im Nelkenöl vorkommt. Was man beim Anblick von verlockenden Vanilleschoten und Blüten auf Joghurtgläsern, Eisverpackungen oder Lassiflaschen in den Supermarktregalen eigentlich gar nicht wissen will, ist, dass der Großteil des synthetischen Vanillins aus Lignin, einem Abfallprodukt der Zellstoffproduktion, erzeugt wird.
Ohnehin wird in Firmen und Fabriken ohne Ende getrickst und getäuscht. So sind die schwarzen Pünktchen in einem Vanille-Eis oder -joghurt noch lange kein Beweis dafür, dass das aromatische Mark einer echten Vanille verwendet wurde. Oftmals sind es lediglich fein gemahlene Schoten.
Immerhin, denn Experten schätzen, das weltweit mittlerweile mehr als 90 Prozent des eingesetzten Vanillins künstlich aus der Fabrik stammen. In der Spitzenküche nehmen Köche selbstverständlich die allerbesten Vanilleschoten, allerdings nicht nur für den süßen Gang. Sie geben Spargelsuppe mit dem ausgekratzten Mark einen exotischen Duft, braten Jakobsmuschel und Hummer in Vanillebutter und parfümieren eine dicke Steinbutt-Tranche mit Vanilleöl.
Die wichtigsten Sorten für die Kulinarik
Ob eine Vanilleschote top ist, können Experten sehen und riechen. Die besten Qualitäten haben einen intensiven Duft, auch wenn sie noch geschlossen sind, und die Oberfläche ist ölig und glänzt. Sind sie außen gräulich und brüchig, ist auch ihr Aroma eher schwach.
Bourbon-Vanille (Gewürzvanille)
Ihren Namen hat sie von ihrem ersten Hauptanbaugebiet, der „Île Bourbon“. Die langen, schlanken Schoten haben sehr viele Samen und ein typisches, intensives Aroma aufgrund des hohen Anteils an natürlichem Vanillin.
Tahiti-Vanille
Etwas dicker und kürzer als die Bourbon-Vanille. Ihre Haut ist dünner und sie hat weniger Samen als ihre Schwester. Die Tahiti-Vanille enthält weniger Vanillin, dafür andere Substanzen, die ihr ein eher blumiges, fruchtiges Aroma verleihen, was Spitzenköche bevorzugen
Die erste europäische Vanille
Sie haben lange experimentiert, nun sind sie am Ziel. In niederländischen Gewächshäusern erntet die Firma „Koppert Cress“ erlesene Vanilleschoten. In drei Farben. Grüne werden frisch gepflückt und direkt an die Gastronomie verkauft, damit die Küchenmeister selbst beim Trocknen und Fermentieren experimentieren können. Die roten bleiben länger als normal an der Pflanze, reifen noch am Stiel und bekommen so blumige und Karamell-Noten. Die dunkelbraune, fast schwarze gleicht am ehesten der bekannten Schote.