In der Vorweihnachtszeit, dem Höhepunkt des Schokoladenkonsums, beleuchtet unser Artikel die drängenden Probleme und vielversprechenden Lösungen in der Kakaoindustrie.
Während der Weihnachtszeit steigt der Schokoladenkonsum weltweit an. Luxemburg bildet hier keine Ausnahme. Als einer der führenden Schokoladenverbraucher Europas – aktuell auf Platz vier pro Kopf – feiert Luxemburg die Festtage mit einer besonderen Vorliebe für diese süße Versuchung. In dieser Saison rücken jedoch nicht nur die traditionellen Schokoladenfreuden in den Vordergrund, sondern man sollte auch nachhaltige und ethische Überlegungen nicht verdrängen. Im folgenden Artikel wollen wir uns den akutesten ökologischen und ethischen Problemen hinter unserer Lieblingsnascherei widmen und gleichzeitig einige Lösungsansätze präsentieren.
CCN-51: Eine Bedrohung für die Artenvielfalt?
Die Hybrid-Kakaosorte CCN-51 (Colección Castro Naranjal 51) ist ein Paradebeispiel für den Zwiespalt zwischen wirtschaftlicher Effizienz und ökologischer Verantwortung. Entwickelt in den 1960er-Jahren als Antwort auf den Pilz „Hexenbesen“, der Kakaobäume befällt, zeichnet sich CCN-51 durch seine hohe Ertragsfähigkeit und Schädlingsresistenz aus. Während diese Eigenschaften den Kakaobauern eine Art Sicherheitsnetz bieten, rückt eine andere, weitaus bedrohlichere Konsequenz in den Fokus: die Gefährdung der Biodiversität.
CCN-51 wird vorwiegend in Monokulturen angebaut, was nicht nur den Boden an Nährstoffen verarmen lässt, sondern auch andere Kakaosorten verdrängt. Die Resistenz der Sorte gegenüber aktuellen Klimabedingungen wirft zudem Fragen auf, was bei fortschreitendem Klimawandel passieren könnte. Könnte CCN-51, ursprünglich als Lösung gedacht, sich letztendlich als globale Bedrohung für den Kakaoanbau herausstellen?
Palmöl: Der Verborgene Schädling
Palmöl ist schon seit längerem ein Kontroverses Thema, wenn es um die Herstellung von Kosmetikprodukten die Rede ist. Das Pflanzenfett, das aus den Früchten der Ölpalme gewonnen wird, ist aber auch häufig in industriell hergestellten Schokoladenprodukten zu finden. Hier gilt es als preisgünstige Alternative zur qualitativ hochwertigeren Kakaobutter. Obwohl Premiumschokolade in der Regel auf Palmöl verzichtet, trägt dessen vermehrte Verwendung in handelsüblichen Schokoladenprodukten zur Entwaldung bei.
Von 1995 bis 2017 hat sich die globale Palmölproduktion vervierfacht, ein Anstieg, was nicht allein der Schokoladenindustrie, sondern auch anderen Lebensmitteln und natürlich der Kosmetikindustrie zuzuschreiben ist. Der vermehrte Anbau der Ölpalme hat nachweislich zu einer verstärkten Abholzung von Waldgebieten beigetragen und trägt einen nicht unerheblichen Teil zum ökologischen Fußabdruck der Schokoladenindustrie bei.
Prekäre Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern
In den Kakaoanbaugebieten, insbesondere in Westafrika, herrschen nach wie vor problematische Arbeitsbedingungen. Trotz verschiedener Initiativen zur Bekämpfung der Kinderarbeit bleibt diese ein ernstes Problem. In der Elfenbeinküste und Ghana, die zusammen etwa 70 % des weltweiten Kakaos produzieren, arbeiten schätzungsweise 1,5 Millionen Kinder unter gefährlichen Bedingungen auf den Plantagen. Viele dieser Kinder werden aus Nachbarländern wie Mali und Burkina Faso verschleppt und zur Arbeit auf den Plantagen gezwungen, wobei sie mit schweren körperlichen Arbeiten, dem Umgang mit gefährlichen Werkzeugen und dem Einsatz von Pestiziden konfrontiert sind.
Auch in Brasilien, einem weiteren wichtigen Kakao produzierenden Land, sind Kinderarbeit und Sklaverei auf Kakaoplantagen ein ernstes Thema. Dort arbeiten Tausende von Kindern und Jugendlichen unter harten Bedingungen, oft ohne die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen.
Trotz der Bemühungen von Organisationen wie der Child Labor Cocoa Coordinating Group (CLCCG) und verschiedenen Industrieinitiativen bleibt das Problem der Kinderarbeit und Sklaverei in der Kakaoindustrie bestehen. Die Schokoladenindustrie hat zwar die Existenz von Kinderarbeit und Sklaverei in ihren Lieferketten anerkannt, jedoch ist die Verantwortung für die Beendigung dieser Praktiken nach wie vor umstritten. Lösungsansätze umfassen Fair-Trade-Initiativen und strengere Regulierungen.
Diese Umstände verdeutlichen die Notwendigkeit einer verstärkten Anstrengung aller Beteiligten in der Lieferkette, um nachhaltige und ethische Praktiken im Kakaoanbau zu fördern und umzusetzen.
Eine neue EU-Verordnung: Die Lösung?
Die EU hat auf diese Probleme reagiert. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass zwischen 1990 und 2020 weltweit 420 Millionen Hektar Wald verloren gegangen sind – eine Fläche größer als die EU. Die EU-Verordnung 1115 vom 31. Mai 2023 zielt darauf ab, Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehediese Entwicklung einzudämmen und die Nachhaltigkeit unter anderem in der Kakao- und Palmölindustrie zu fördern.
Betroffen von der Verordnung sind Unternehmen, Waldbesitzer, Händler und Landwirte innerhalb der EU, die die in der Verordnung genannten Rohstoffe (Kakao, Palmöl, Kaffee, Rinder, Holz, Soja oder Kautschuk) verkaufen oder importieren. Diese müssen fortan eine Sorgfältigkeitserklärung abliefern, welche garantiert, dass das betreffende Produkt nicht von nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Flächen stammen und keine weiteren Waldschäden verursacht haben. Ausserdem muss die Einhaltung der jeweiligen Gesetze des Herkunftslandes nachgewiesen werden.
Nach dem Inkrafttreten der Verordnung am 29 Juni 2023 bleibt den betroffenen Unternehmen eine Übergangszeit von 18 Monaten (für kleinere Unternehmen 24 Monate), bis zur endgültigen Anwendung am 30. Dezember 2024.
Weitere Lösungsansätze
Mit dem „Bean to Bar“ Konzept bieten viele kleinere, artisanale Schokoladenhersteller hierzulande schon seit längerem eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Alternative zur Industrieschokolade an. Mit diesem Label garantiert der Produzent, dass er den gesamten Herstellungsprozess von der Rohkakaobohne bis zur fertigen Schokolade selbst übernimmt. Dadurch wird nicht nur die Qualität bei jedem einzelnen Arbeitsschritt versichert, durch das Auslassen von Zwischenhändlern bleiben die Herstellungsbedingungen bei den Kakaobauern transparent und außerdem werden unnötige Lieferketten umgangen.
Einen genaueren Blick hinter die Kulissen eines luxemburgischen Unternehmens, welches der „Bean to Bar“ Herstellungsphilosophie folgt gibt der kommenden Printausgabe des KACHEN-Magazins. (ersch. am 6. März 2024)
Unter dem Strich lässt sich klar festhalten, dass der Anbau von Kakaobohnen und die Produktion von Schokolade neu überdacht werden müssen, um sowohl die Umwelt als auch die Rechte der Arbeiter zu schützen. Initiativen wie nachhaltige Landwirtschaftspraktiken, die Förderung von Agroforstwirtschaft und der Einsatz alternativer Zutaten könnten dazu beitragen, die Kakaoindustrie in eine nachhaltigere Zukunft zu führen.
Insgesamt verdeutlicht die Situation in der Kakaoindustrie die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes, der sowohl ökologische als auch soziale Aspekte berücksichtigt. Ob die genannte EU-Verordnung dies gewährleistet, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Zumindest ist es ein klares Signal, das nicht zuletzt durch das steigende Bewusstsein der Verbraucher in die Wege geleitet wurde.
Momentan sieht es tatsächlich so aus, als könne sich die Industrie in eine nachhaltigere Richtung entwickelt. Um diesen positiven Trend fortzusetzen, müssen alle Betroffenen Akteure weiterhin an einem Strang ziehen und vor allem bereit sein, Kompromisse einzugehen.