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Anmerkung: Dieses Interview ist Teil einer größeren Reportage zum 60ten Jubiläum von Maison Oberweis. Den vollständigen Artikel finden Sie in der aktuellen Printausgabe des KACHEN-Magazins (No. 38. 01/24).
Im Gespräch mit Jeff Oberweis ließen wir die letzten sechzig Jahre Revue passieren, hörten spannende Anekdoten von Höhen und Tiefen und lernten, worauf es für ein erfolgreiches Familienunternehmen wirklich ankommt.
Was sind Ihre frühesten Erinnerungen an das Familienunternehmen?
JEFF: Das Unternehmen ist seit meiner Geburt Teil meines Lebens. Der erste Laden befand sich im Erdgeschoss unseres Wohnhauses auf dem Limpertsberg. Der Rest war das Atelier: Im Keller machte mein Vater den Baumkuchen, im ersten Stock die Pralinen und im Obergeschoss wohnten die Gesellen. Mein Bruder und ich durften schon als Kinder beim Ausdrücken der Marzipanformen mitanpacken. Die Crème für die „Aachteger“ stand im Flur, wo ich mich regelmäßig mit dem Finger bediente. Das würde unter heutigen Gesundheitsauflagen so natürlich nicht mehr gehen.
War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters treten würden?
JEFF: Nicht wirklich. Zunächst schloss ich meine Schule ab, zwar nicht mit besonders guten Noten, aber es reichte. Mir war immer klar, dass ich etwas mit den Händen machen wollte, am besten etwas Kreatives. Als ich am 1. Januar 1984 mit meinen Eltern nach Paris fuhr, besuchten wir dort eine Konditorei, in der ein sehr kunstvolles Schaustück aus Zuckerguss ausgestellt war. Dieses hatte mich so beeindruckt, dass ich sofort – zur Überraschung meiner Eltern – den Chefkonditor fragte, ob ich eine Ausbildung bei ihm antreten könne. Zu meinem Glück gab er mir die Chance, aber er warnte mich, dass es nicht einfach werden würde. Ich weiß noch genau, was er sagte: „Oui mon grand, mais tu vas en baver!“
Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Ihrer Generation, der Ihres Vaters und der Ihrer Neffen?
JEFF: Zur Zeit meines Vaters ging es vor allem darum, den Hintern hochzubekommen, in die Welt zu hinauszugehen und so viel wie möglich mitzunehmen. Die französische Patisserie war damals nach dem Krieg am Boden, weshalb mein Vater für seine Lehre in die Schweiz ging, um dort von den Besten der Besten zu lernen. Meine Ära war vor allem an Leistung gebunden. Es war die Zeit der großen Wettbewerbe, bei denen es galt, sich zu beweisen. Das gibt es heutzutage immer seltener, aber ich denke, dass dies unser Handwerk entschieden vorangetrieben hat. Es ist wie bei der Formel 1, wo viele neue Methoden und Techniken entstehen, die dann in der Automobilindustrie übernommen werden. Auf die Generation meiner Neffen kommen ganz neue Herausforderungen zu. Neben der rasanten technologischen Entwicklung, mit der man Schritt halten und umgehen muss, kommt ein wachsendes Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit, das berücksichtigt werden muss. Außerdem scheint alles immer unsicherer zu werden, von drohenden globalen Katastrophen und Kriegen ganz zu schweigen …
Wie haben Sie die neue Generation eingegliedert?
JEFF: Dafür haben mein Bruder Tom, meine Frau Léa und ich ein klar geregeltes Verfahren festgelegt. Zunächst müssen alle mindestens drei Jahre einem Beruf außerhalb des Familienbetriebs nachgehen. Das ist nicht nur gut für ihre eigene Entwicklung, sondern bringt auch neue Blickwinkel in die Firma. Danach folgt ein 30-wöchiger Eingliederungskurs, bei dem sie alle einzelnen Berufsfelder des Betriebs kennenlernen, von der Logistik über die Buchhaltung bis zur Produktion. Danach können sie sich entscheiden, in welchen Bereich sie einsteigen möchten. Natürlich steht es unseren Kindern frei, ob sie ins Familiengeschäft einsteigen wollen, aber alle sind willkommen.
Was wollen Sie der neuen Generation mit auf den Weg geben?
JEFF: Authentizität, Kreativität, Exzellenz, Passion und Weltoffenheit. Das sind die Grundwerte, die sowohl mein Vater als auch mein Bruder und ich verinnerlicht haben und die uns dorthin gebracht haben, wo wir heute sind.
Welche Rolle spielt der Standpunkt Luxemburg für Oberweis?
JEFF: Das Kapital von Luxemburg liegt in seinem Multikulturalismus. Wir als Oberweis haben davon profitiert, dass wir leichten Zugang zu unseren Nachbarn in Frankreich, Deutschland und Belgien haben, deren Traditionen und Know-how wir aufgreifen und bei uns zusammenbringen konnten. Wie man so schön sagt, in Luxemburg vereinen sich deutsches Handwerk und französische Kreativität, und das passt auch perfekt zu uns.
Wie wird Oberweis von der wachsenden internationalen Community hierzulande wahrgenommen?
JEFF: Ich würde sagen, durchweg positiv. Was sehr interessant ist: Ein alteingesessener Luxemburger weiß natürlich, dass Oberweis ein Familienbetrieb ist. Aber Neuankömmlinge lernen uns in der Größe kennen, in der wir jetzt sind, und halten uns für eine Marke. Ist das nicht ironisch? Viele Unternehmen versuchen, sich als Marke zu etablieren. Wir wollten eigentlich nie eine Marke sein und sind es trotzdem geworden.
Was war in all den Jahren, in denen Sie dabei sind, die größte Herausforderung?
JEFF: Die Überschwemmungen 2021 haben uns sehr hart getroffen. Die gesamte Werkstatt stand unter Wasser. Ich habe noch versucht, zu retten, was zu retten war, doch am Ende stand ich vor einem Scherbenhaufen. Schlussendlich haben aber alle mit angepackt, nicht nur die Familie, sondern auch alle unsere Mitarbeiter. Das ist wiederum eine der schönsten Erinnerungen meiner Karriere, und ich bin stolz darauf, mit solchen Menschen zusammenarbeiten zu dürfen.
Was ist das Wichtigste, das Sie im Laufe Ihrer Karriere gelernt haben?
JEFF: Das Allerwichtigste ist ein gutes Klima innerhalb der Firma, denn nur das garantiert auch eine zufriedene Kundschaft. Wenn man jeden Tag mit einem Lächeln zur Arbeit kommt, bekommt man dieses Lächeln auch von den Kunden zurück.
Was bedeutet das 60-jährige Jubiläum für Sie persönlich?
JEFF: Für mich bedeutet es ein Jahr voller Emotionen, das es mit unseren Kunden, unseren Mitarbeitern, meinen Eltern und der neuen Generation zu feiern gilt!
Bilder: KACHEN & Oberweis