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Die kulinarische Welt der kleinen Blättchen und Knospen zeigt eine üppige Geschmackspalette, die so gar nichts mit den kleinen Kressetöpfchen aus dem Supermarkt zu tun hat.
„Man hat eine Gänsehaut auf der Zunge.“ Marcel Thiele erlebt immer wieder erstaunte Gesichter, wenn Gäste das erste Mal Sechuan Cress oder Sechuan Buttons probieren. Eine kleine Pflanze mit kegelförmigen Blättern und kugelrunden, gelben Blüten. Nicht umsonst ist die ParakresseArt auch als Prickelknöpfchen bekannt. „Die Geschmacksknospen im Mund stellen sich auf und erweitern die Geschmackswahrnehmung um das 20-Fache“, erklärt Thiele. Die Kresse mit ihrer pfefferigen Schärfe regt den Speichelfluss an, und der sorgt dafür, dass Aromen länger und intensiver am Gaumen bleiben. Das brausepulvrige Kribbeln ist nicht das einzige Phänomen. In Afrika wird die Parakresse als Heilmittel gegen Malaria gegessen. Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass vor allem die Blüten Stoffe enthalten, die Parasiten im Blut abtöten können. Deshalb würzen viele Einheimische ihr Essen damit, um die Krankheitsgefahr zu mindern.
Kressen sind weit mehr als die allseits bekannte Gartenkresse. Das Grün ist viel zu schade, um nur als nette Dekoration auf dem Teller zu landen. Botanisch gesehen gelten allerdings nur die Kapuziner- mit den leuchtend bunten Blüten, die Para- und eben die Gartenkresse als Kresse im eigentlichen Sinn. Die meisten anderen als Kresse bezeichneten Blätter sind gerade ausgekeimte junge Triebe, sogenannte Micro-Greens, die umsorgt werden „wie ein kleiner Bonsai“, so Thiele. Sie können vieles sein, Gemüse oder Getreide. Und haben oft mehr Power als die erntereifen Pflanzen.
Brokkoli gilt als extrem gesunde Kost, weil der Kohl das Senföl Sulforaphan enthält, das den Körper stimuliert, selbst Antioxidantien für den Schutz der Zellen zu bilden. Die nur wenige Zentimeter große Brokkolikresse „hat 90-mal mehr Sulforaphan als der ausgewachsene Kopf vom Feld“, erklärt Foodscout Thiele. „Ein wirkliches Superfood ohne aufgesetztes Marketingsiegel.“
In den Minigrüns steckt noch mehr kulinarische Verblüffung. Die Scarlet-Kresse, wie sie von der niederländischen Firma „Koppert Cress“, für die Marcel Thiele arbeitet, genannt wird, ist eine Amaranth-Sorte und schmeckt als junger Keimling wie Rote Bete. Dem mit Tahoon-Cress pürierten, feinsten Öl entströmt ein Duft von gerösteten Bucheckern.
Die scharfe Kapuzinerkresse stammt aus Südamerika, wo sie nicht nur würzte, sondern auch als Heilmittel galt. Um die ursprünglichen Inhaltsstoffe zu erhalten, lassen die Kressespezialisten Mutterpflanzen wieder unter freiem Himmel im Herkunftsland gedeihen und holen die Samen nach Europa.
Die medizinischen Kräfte stecken vor allem im Keimling der Zorri-Kresse. Auch ein pikanter Zungen-Kitzler.
Bild: Marcel Thiele