Sieht so ein Pirat aus? Mathieu Van Wetteren (31) ist freundlich, höflich und gutgelaunt. Und mit seinem Lokal „Apdikt“, der früheren Apotheke in Steinfort, ist er erfolgreicher, als er es sich je zu erträumen wagte. Vom Gault & Millau wurde er zur „Entdeckung des Jahres“ 2018 gekürt und weitere Auszeichnungen werden wohl nicht ausbleiben.
(Dieser Artikel erschien ursprünglich im Kachen Magazin Winter 2018)
Aber Mathieu spielt gerne mit der Vorstellung, in seiner Küche wie ein Seeräuber unterwegs zu sein. Die Welt der Küche ist für ihn eine Welt mit ganz eigenen Regeln: „Dieser Mikrokosmos funktioniert nach eigenen Gesetzen.“ Was ihm besonders an der Gastronomie gefällt, ist „die Verrücktheit, die Freiheit, die Kreativität und der besonders ausgeprägte Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft.“
Volle Kraft voraus!
Seit April 2017 ist er nun in der „Apdikt“ sein eigener Herr. „Diese Freiheit ist wunderbar und für mich persönlich sehr wichtig“, sagt er und schaut auf sein kleines Reich mit 24 Plätzen. Aller Anfang ist bekanntlich schwer und so ist sich Mathieu auch nie zu schade, selber mal den Abwasch zu machen. Vielleicht trägt gerade das zur Motivation des Teams bei. Dabei muss das Wesentliche immer im Auge behalten werden: die Kreativität und die Kreation in der Küche. Zu zweit haben Louise Burton und er in der „Apdikt“ angefangen, immer sechs Gänge. „Das war schon eine kleine Meisterleistung, jeden Tag durchaus sehr sportlich.“
Mittlerweile arbeiten sie zu dritt in der Küche und im Saal unterstützt Alice Meyer als Maître d’Hôtel den reibungslosen Ablauf. „Ich habe schnell gemerkt, dass die Kreativität, die in mir steckt, nur durch Ruhe und Fokus zum Vorschein kommen kann. Ich habe jetzt schon das große Glück, mich blind auf meine Mannschaft verlassen zu können.“ Gekocht wird nur abends und zwar ein einziges Menü. „Jeder hat gesagt, das kannst du niemals durchziehen. Ein Menü, nur abends und in Steinfort. Niemals! Dennoch war Mathieu von diesem Konzept überzeugt und hat den Schritt gewagt. Seit der Eröffnung 2017 haben lediglich zwei Gäste sich nicht getraut, sich auf sein spezifisches Menü einzulassen. „Meine Gäste sind sehr aufgeschlossen und kommen regelmäßig wieder, um neue, teils verrückte Menü-Variationen zu entdecken. Genau hier fühle ich mich als Pirat, der meine neuen Errungenschaften teilen kann.“ Vegetarier und Allergiker seien übrigens immer willkommen: „Alles ist möglich, ich muss es nur vorher wissen.“
In dieser Saison serviert Mathieu folgendes Menü: Zur Einstimmung gibt eine Sardine mit Muscheln und Acho Blanco. Danach folgt ein Ceviche sowie ein Steinbutt mit Luxemburger Püree mit Kaviar. Anschließend Entrecôte mit Butterbohnen und Zucchini. Schließlich Avocado mit Himbeeren und Artischocken zum Nachtisch. Das Ganze für 75 Euro. Sieben Wochen lang bietet Van Wetteren ein Menü an, zwischenzeitlich gibt es vielleicht kleinere Veränderungen.
Vom Familienherd zum Küchenchef
Mathieu ist in Diekirch als ältester Sohn einer luxemburgischen Mutter und eines belgischen Vaters aufgewachsen. Bereits als Kind half er regelmäßig in der Küche des Lokals seiner Mutter, um sein Taschengeld aufzubessern. Die Faszination war so groß, dass er nach der Schule nicht wie eigentlich geplant Schreiner, sondern Koch werden wollte. Nach drei Jahren an der Hotelfachschule in Diekirch und zwei eher „durchwachsenen“ Jahren besuchte Mathieu die Fachschule in Namur, die er mit Bravour und Auszeichnung abschließen konnte. „Ich habe schnell verstanden, dass ich mich am Riemen reißen muss, um in dieser kompetitiven Welt eine Chance zu haben.“ Anschließend arbeitete er zwei Jahre im „Héliport“ in Lüttich, einem Ein-Sterne-Restaurant. Mit dem Biss und Drang, der Elite der Gastronomie über die Schulter schauen zu dürfen, bewarb sich Mathieu bei Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn. „Für mich ist und bleibt Herr Wohlfahrt der größte Chef, für den ich bisher gearbeitet habe. Der Mann ist für mich ein Phänomen, inspirierend und faszinierend zugleich.“ Die großen klassischen Gerichte habe er dort gelernt. „Handwerkliche Klarheit, Organisation und die Liebe zum Beruf“ haben Mathieu bei seiner Suche nach einer eigenen gastronomischen Handschrift weitergebracht.
Nach dem Schwarzwald ging Mathieu zurück nach Brüssel, wo er sich im „Seagrill“ (zwei Sterne) in weniger als drei Jahren vom Commis zum Sous-Chef hocharbeiten konnte. Danach folgte eine Etappe im Familienbetrieb seiner Mutter im Pallcenter in Luxemburg, bevor er in Antwerpen im „The Jane“ (zwei Sterne), bei Sergio Herman und Nick Brill sein bisheriges Können weiterentwickeln konnte.
Schließlich fand er in Steinfort die frühere Apotheke. „Ich bin kein geldgetriebener Mensch. Ich mache das, was mir Spaß macht: Kochen und den Menschen meine Liebe und meine Emotionen vermitteln.“
Harte Arbeit und lange Tage gehören zu diesem Beruf dazu: „Es ist das, was mich ins Gleichgewicht bringt, was mich jeden Tag aufs Neue antreibt.“ Reisen ist für Mathieu eine besonders wichtige Quelle der Inspiration. Kreative Auszeiten sind für ihn ein wichtiger Aspekt seiner künstlerischen Tätigkeit. „Ich bin immer wieder auf der Suche nach neuen Geschmäckern, neuen Produkten und Produzenten sowie exotischen Kombinationen.“ Zur Zeit richtet er sein Augenmerk auf die asiatische Küche: „Japan ist für mich eines der Tore zum Paradies.“ Er schwärmt von „Subtilität und Einfachheit, von Fokus, Präzision und Liebe zum Detail.“
Wer bei Mathieu einen Tisch ergattern will, sollte einige Zeit im Voraus buchen, denn die Wartezeit beträgt, je nach Wochentag, bis zu drei Monate. „Ich habe nicht damit gerechnet und bin sehr dankbar dafür, dass meine Gäste mir soviel Vertrauen schenken.“