Große Küche zum kleinen Preis
„Ich will die Küche nicht revolutionieren. Ich will nur wieder ein Gleichgewicht herstellen“, sagt Thomas Murer. Der Mann aus dem Elsass ist 29 Jahre jung und spätestens seit seiner Teilnahme am französischen TV-Wettbewerb „Top Chef“ 2016 einer der prominenten Köche in Luxemburg. Welches Gleichgewicht? „Eine gute Vorspeise, ein gutes Hauptgericht und ein gutes Dessert zu einem fairen, gerechten Preis“ lautet die Aufgabe, die er und seine Frau Emeline sich gestellt haben.
In seinem ersten eigenen Lokal will Murer, der zuletzt in der „Aal Schoul“ in Hobscheid am Herd stand, nun das schaffen, was manche seiner Kollegen für unmöglich halten. Mitte Oktober eröffnet er in Steinfort das Restaurant „An der Villa“. In exquisitem Rahmen hat Murer ein Restaurant der besonderen Art geplant. Nämlich im einstigen Wohnsitz der Stahlindustriellen Charles und Jules Collart, der zuletzt als kommunales Haus der Jugend dem Verfall entgegendämmerte.
„Wir wollen wie ein Bistro arbeiten – aber mit einer gastronomischen Qualität“, sagt er. Anders ausgedrückt: „Wir möchten für eine große Zahl von Menschen zugänglich bleiben. Bei uns sollen auch Menschen essen können, die nicht viel Geld verdienen.“ Es habe ihn schon seit langem geärgert, dass gutes Essen in Luxemburg meist sehr teuer sei. Sein Plan: Das Mittagsmenü zwischen 20 und 24 Euro, Vorspeisen ab neun Euro, Hauptspeisen, die bei 16 oder 17 Euro beginnen und die normalerweise nicht über 27 Euro hinausgehen. „Und falls ich einen wilden Steinbutt bekomme, dann werde ich ihn vielleicht für 30 oder 32 Euro anbieten, aber nicht für 40 oder 50.“
Ein Träumer oder Phantast ist Murer nicht. Schon als 14-Jähriger begann er eine Kochlehre im Elsass: „Da habe ich die Grundlagen gelernt.“ Jede Menge Choucroute, aber auch Rhabarbertorte, Presskopf und Apfelkuchen: „So etwas sollte man können.“ Danach arbeitete er zwei Jahre in der „Auberge de l’Ill“ bei Marc Haeberlin. Später, nach Hospitanzen bei anderen Spitzenköchen, kochte er bei Patrick Jeffroy in der Bretagne und bei Jean-Luc Brendel in Riquewihr. „Ich hatte das Glück, immer bei Leuten zu arbeiten, die ihre Leidenschaft auf mich übertragen haben.“ Nach Luxemburg kam er, weil er seiner Frau folgte, der es im Großherzogtum gefiel.
„Ich hatte das Glück, immer bei Leuten zu arbeiten, die ihre Leidenschaft auf mich übertragen haben.“
Murer weiß also, wie es in besternten Küchen zugeht. „Und weil ich diese Welt kenne, will ich das nicht“, sagt er. Oberstes Ziel seien Gäste, die sich beim Verlassen des Restaurants immer noch über das tolle Essen freuen und die Rechnung dafür „korrekt“ finden. „Ich will glücklich sein, ich will glückliche Mitarbeiter haben. Was will ich denn noch mehr?“ Bei Sternen denke er vor allem an den Druck, den sie auslösen. Und er denke an Hobbykritiker, die in sozialen Medien schlechte Noten verteilen, weil der Kellner den Wein nicht flott genug nachgeschenkt hat.
Warum sollte gerade er es schaffen, „eine erschwingliche Küche in einem außergewöhnlichen Ambiente“ anzubieten? Murer setzt auf Technik und gute Organisation. „Die Planung der Küche habe ich zehn Mal verändert. Man hat mich für verrückt erklärt.“ Nun aber stehe alles so, wie es sein müsse. Mit höheren Arbeitsflächen („Das vermeidet Rückenprobleme“), mit Induktions- statt Gasherden, mit einer Art Wundermaschine namens Vario-Cooking, die fast selbstständig unterschiedliche Speisen kocht, brät und gart – und sich schließlich auch noch selbst reinigt: „Meine Equipe in der Küche soll kochen und nicht die Küche wischen.“ Die Technik des Vakuumierens (Sous-vide) will er nutzen, um günstiger einzukaufen: „Ich werde nicht 20 Geflügelbrüste kaufen, sondern 200. Dann kaufe ich billiger.“
„An der Villa“ soll ein Restaurant sein, in dem anspruchs-
voll gekocht wird: „Unser Ehrgeiz ist, so viel wie möglich selbst zu machen. Wir arbeiten mit richtigem Gemüse, eigenen Saucen und auch mit echtem Hühnerjus. Und wir wollen unsere Gäste überraschen: Man kann mit Zitrone, Basilikum und Fenchel ein exquisites Dessert machen. Und die Gäste sollen sagen: Ich hätte nie gedacht, dass diese Dinge zusammenpassen.“
Eine „Cuisine française de terroir“ soll es in Steinfort werden. Eine jüngere Küche, weniger schwer – „ehrgeizig, aber nicht eingebildet“. Und mit etwa 50 Plätzen, natürlich auch an Wochenenden geöffnet: „Im Elsass geht man am Sonntag mit der ganzen Familie essen. Und in Steinfort ist das auch so.“ Ein Restaurant für jedermann also. Für die Kinder gibt es auch Chicken Nuggets – „aber selbstgemacht und richtig gewürzt“. Und eine echte kleine Revolution hat sich Murer, Vater von zwei kleinen Töchtern, auch noch ausgedacht: „Es wird bei uns sogar Zuckerwatte geben. Das Gerät dafür ist schon gekauft.“
AN DER VILLA
15 rue d’Hobscheid, L – 8422 Steinfort
Tel. +352 26 30 55 63