Mehr Vergnügen Wagen
„Ich habe mich völlig von diesem Druck befreit“, sagt Jean-Charles Hospital (50). Er lächelt. „Eines Tages habe ich mir gesagt: Stopp, Jean- Charles. Jetzt kommt das Vergnügen. Und zwar nur noch das Vergnügen.“ Der Druck: Das ist alles, was mit einem Michelin-Stern oder anderen Auszeichnungen zusammenhängt. Das Vergnügen: Das ist der Herd im Le Bistronome an der Route d’Arlon. Hier arbeitet er seit dem 14. Juli 2010 in seiner eigenen Küche. „Ich kann die Küche machen, auf die ich Lust habe. Ohne über irgendwelche Kriterien nachzudenken, die ich für einen Stern erfüllen müsste.“ Fremd sind ihm die Sterne ganz und gar nicht, auch nicht deren Anziehungskraft. Der Mann aus der Cham- pagne lernte an der Hotelfachschule in Saint-Didier das Handwerk als Pâ- tissier, Chocolatier und Glacier – mit einer Goldmedaille als bester Aus- zubildender Frankreichs. Den Wehr- dient verbrachte er zwei Jahre lang in Washington als persönlicher Koch des französischen Militärattachés. „Ich war 20 Jahre alt und hatte noch nicht viel Erfahrung. Aber ich habe den französischen Verteidigungsmi- nister und den amerikanischen Präsi- denten kennengelernt.“
Danach war er ein Jahr bei Sterne- Koch Didier Delu in Paris und ging dann für zwei Jahre zu Roger Souvereyns, dem Chef des legendärenScholteshof im belgischen Hasselt. Als Chef-Pâtissier in einem Zwei- Sterne-Etablissement also. „Ich hatte freie Hand, die Karte zu kreieren“, er- innert er sich. „Und Souvereyns hat mich durch sein Savoir-Faire in der Küche und durch seinen innovativen Geschmack beeindruckt. Geschmack auch im ästhetischen Sinn.“ Dann wech- selte er nicht weit entfernt zu Sternekoch Rik Vandersanden ins De Barrier in Houthalen. Hier in Flandern, weit weg von der französischen Küche, hat er im Umgang mit Köchen aus aller Herren Länder sein Englisch perfektioniert. Und er blieb sieben Jahre: „In unserem Metier ist das eine lange Zeit.“
Die luxemburgische Etappe begann vor knapp 20 Jahren. Da holte Pascal Brasseur ihn als Küchenchef in das Restaurant Wengé. „Er hat mir neun Jahre sein Vertrauen geschenkt. Das war für mich sehr wichtig“, sagt Hospital. „Ich konnte in der Küche tun, was ich wollte. Das war eine gute Gelegenheit, mich in Luxemburg bekanntzumachen.“ Und anschließend eröffnete er gemeinsam mit Philippe L’Hôpital und mit tatkräftiger Unterstützung durch Gastro-Berater Tony Tintinger („Er hat uns sehr geholfen“) das Le Bistronome. Die Aufgabenverteilung ist bis heute klar: Hospital kümmert sich um die Küche, L’Hôpital verantwortet den Service.
„Man kann daraus viel Wundervolles machen, wenn die Zubereitung gut und das Produkt frisch ist.“
„Das ist keine einfache Küche, sondern eine Küche mit eini- ger Technik, in der man die einfachen Produkte der jeweiligen Saison respektiert“, definiert Hospital seine Arbeit. „Alles hängt vom Koch ab“, sagt er. Und der müsse sich „immer wieder in Frage stellen.“ Denn alles verändere sich: Seit drei Jahren beispielsweise würden Geschäftsessen immer seltener, kürzer und schneller. Und die Kundschaft werde jünger. „Man muss sich der Nach- frage anpassen.“ Für das Le Bistronome bedeutet dies: Hospital hat die Karte bei Vorspeisen und Hauptgerichten etwas reduziert, das dreigängige Menu du Marché von 41 auf 39 Euro verbilligt. „Ich verwende auch weniger edle Produkte, die schon beim Einkauf sehr teuer sind und deren Preise ein Teil der Kundschaft als exorbitant empfindet.“ Weniger Steinbutt, Petersfisch und Langusten, mehr Dorade oder Lotte also. „Man kann daraus viel Wundervol- les machen, wenn die Zubereitung gut und das Produkt frisch ist.“
In Luxemburg fühlt er sich zu Hause, hier ist auch sein Sohn geboren. „Die Luxemburger haben mir viel Vertrauen geschenkt. Und das Land ist schön und grün und liegt sehr, sehr gut in Europa.“ Sonntags und montags bleibt das Le Bistronome geschlossen, zu Weihnachten und in den Sommerferien auch: „Man muss das Familienleben schützen“, sagt Hospital. Das sei wichtig: „Ich wollte absolut nicht, dass meine Frau mit mir in meinem Betrieb arbeitet.“ Es sei besser für die Familie und das eigene Gefühlsleben: „Ich habe zu viele schlechte Beispiele gesehen.“ Natürlich kocht er aber doch zu Weih- nachten und auch im Urlaub: „Aber nur mit Familie und Freunden. Ganz entspannt. Und mit einer geöffneten Flasche Wein in der Küche. Das ist das reine Vergnügen.“
LE BISTRONOME
373, Route dʼArlon — L-8011 Strassen
Tel. +352 / 26 31 31 90