Yoga ist eine Praxis, die weit darüber hinausgeht, mit seinem Körper bestimmte Haltungen einzu- nehmen. Es kann die Stimmung beeinflussen, die Aufmerksamkeit stärken und zu tiefgründigen Erkenntnissen über das Leben verhelfen. Yoga- lehrerin, Referentin und Unternehmerin Jessica Janusz vertritt einen ganzheitlichen Ansatz zur Stärkung des Wohlbefindens, der darauf basiert, sich selbst treu zu bleiben und Verletzlichkeit in eine Stärke zu verwandeln.
1. Kann Yoga unsere Stimmung und emotionale Verfassung verbessern? Gibt es hierfür eine einfache Technik?
Yoga lässt Sie die gewohnten Denkmuster verlassen und sich auf das Hier und Jetzt fokussieren. Es macht uns unseren emotionalen Status bewusst. Wir können unsere wahren Emotionen erkennen und die Dinge einfach ge- schehen lassen. Auf diese Weise kann Yoga unsere Stim- mung und unseren Allgemeinzustand verbessern, da wir nicht mehr an einer bestimmten Emotion festkleben. Im Gegenteil: Wir lassen die Emotion zu, fühlen sie bewusst und können sie so überwinden.
Die einfachste Technik hierfür ist, sich seiner Atmung bewusst zu werden. Schließen Sie Ihre Augen. Legen Sie Ihre Hände auf Ihren Bauch oder Ihre Brust. Spüren Sie Ihre Atmung, atmen Sie durch die Nase ein und auch wieder aus. Achten Sie darauf, welcher Teil Ihres Körpers sich beim Ein- und Ausatmen bewegt. Fühlen Sie, wie Ihre Lungen sich ausdehnen und wieder zusammenziehen. Verzichten Sie auf erzwungenes Atmen und lassen Sie Ihrer natürlichen Atmung freien Lauf. Wenn Ihre Gedanken abschweifen, konzentrieren Sie sich wieder auf den Klang und das körperliche Spüren Ihrer Atmung. Atmen Sie ein und zählen Sie 1, 2, 3. Anhalten 1, 2, 3. Ausatmen 1, 2, 3. Wiederholen Sie dies eine Minute lang. Achten Sie nun darauf, wie Sie sich fühlen. Diese Technik ist immer ver- fügbar und kann überall und jederzeit ausgeführt werden.
2. Wie kann Yoga uns unseren Gefühlen näherbringen?
Ich sage meinen Schülern während der Kurse immer: „Ihre Yogamatte ist Ihr Spiegel. Achten Sie darauf, wohin Sie heute gelangt sind, ohne sich zu bewerten; betrachten Sie sich einfach mit Neugierde.“
Durch Yoga gelangen Sie auf eine neue Bewusstseinsebene und können das Hamsterrad, das sich unaufhörlich in Ihrem Kopf dreht, anhalten. Und plötzlich stehen Sie vor der Aufgabe, damit fertigzuwerden, was freigelegt wird. Yoga ermutigt Sie dazu, stehenzubleiben, wenn Sie laufen möchten, zu fühlen, wenn Sie Gefühle vermeiden möchten, und aufzugeben, wenn Sie nach Kontrolle suchen. Wenn Sie sich selbst diesen Freiraum einräumen, erkennen Sie das, was freigelegt wird, und erlauben sich selbst, Ihre vorhandenen Emotionen wahrzunehmen.
Yoga lässt Sie bestimmte Haltungen einnehmen, die ver- schiedene Energiekanäle in Bezug auf unsere Emotionen öffnen. Deshalb kann man am Ende des Kurses eine ge- wisse Befreiung spüren, wie eine Last, die von einem abfällt.
3. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Yoga-Bewegung in den vergangenen Jahren? Und wohin sollte es uns Ihrer Meinung nach als Nächstes führen?
Es ist unschwer zu erkennen, dass die Beliebtheit von Yoga in den vergangenen Jahren zugenommen hat und es – dank des Internets – heute einfacher ist denn je, Zugang zu Yoga zu bekommen. Diese Bewegung wiederum hat eine enorme Kreativität entfacht. Es gibt keine Grenzen mehr. Privatleute und Unternehmen sind gleichermaßen in der Lage, auf den verschiedensten Wegen das gesam- te Yogaspektrum vorzustellen, von der Praxis bis hin zu Lifestyle.
Ich denke, die Frage ist eher, wo wir Yoga machen möch- ten, und nicht so sehr, wohin es uns führen sollte.
Jetzt haben wir die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie wir es nutzen möchten. Es ist einfach, einen Lehrer, Guru oder Influencer aufs Podest zu heben; es ist für nor- mal geworden, Antworten anderswo als bei sich selbst zu suchen. Wenn wir das tun, ist unsere Enttäuschung be- reits vorprogrammiert. Erlauben Sie anderen, Sie anzu- leiten und zu inspirieren, doch hören Sie zuerst auf Ihre Beziehung zu sich selbst.
4. Wie sieht Ihr Ansatz bezüglich Yoga aus und was sollen Ihre Schüler aus Ihren Kursen mitnehmen?
In meinem eigenen Leben habe ich mich selbst in Situationen wiedergefunden, die schwer zu bewältigen waren. Sie waren vertraut, bequem und im Grunde alles, was ich kannte. Ich glaube, unsere schmerzhaften Geschichten haben die Kraft, uns und andere zu heilen, weshalb ich mich entschlossen habe, sie genau dafür zu nutzen. Mein Ansatz bezweckt vor allem, die Schüler in die Lage zu versetzen, sich selbst treu zu bleiben. Ich schaffe einen sicheren Raum für sie, in dem sie fühlen können, was immer sie fühlen müssen, und in dem sie genau so erscheinen, wie sie sind. Mein Angebot lautet, sie zu unterstützen und zu leiten, damit sie ihren eigenen inneren Guru finden können.
Die Kurse zeigen, wie in Verletzlichkeit Frieden und in Wahrheit Heilung enthalten ist. Ich ermuntere meine Schüler, mutig zu sein und ihre Komfortzone zu verlassen.
5. Was kann man beim Yoga falsch machen?
Das Einzige, was man falsch machen kann, ist, nicht auf seinen Körper zu hören. Ja, manchmal kann man sich un- wohl fühlen und manche Haltungen können unbequem sein, doch ist das etwas anderes, als sich absichtlich weh zu tun. In unserem Alltag haben wir alle schon die Erfahrung gemacht, bis an unsere Grenzen zu gehen. Für einige ist das sogar ganz normal. Doch beim Yoga ist das ein Weg, der zu Verletzungen führt. Es ist wichtig, eine Pause zu machen, wenn man eine benötigt, sich auszuruhen, wenn man es braucht, und seinen eigenen Rhythmus zu respektieren, anstatt zu versuchen, über seine Grenzen hinauszugehen.
6. Kann ein absoluter Anfänger damit beginnen, Yoga zu Hause zu machen? Worauf sollte er achten?
Natürlich. Als Anfänger fühlt man sich vielleicht wohler, Yoga zunächst zu Hause zu praktizieren, bevor man an einem Kurs mit vielen Menschen teilnimmt. Heute ist ja alles online und vieles auf YouTube verfügbar, als Live- stream oder auf der Website Ihres Lieblingslehrers. Auch Privatstunden zu Hause sind ein toller Weg, um eine soli- de Basis für Ihren Körper und Ihre Yogareise zu erwerben.
Foto: Eke Jelluma