Vom Foodtruck zum Restaurant des Mudam: Der Luxemburger Küchenchef, Unternehmer und Autodidakt Fabrizio Annicchiarico gibt einen Einblick in seine Erfahrungen mit der veganen Küche.
Wer versucht, Fabrizio Annicchiarico in eine Schublade zu stecken, wird sich vermutlich die Zähne ausbeißen. Denn wenn es eines gibt, worauf der Küchenchef Wert legt, dann ist es Individualität. Etiketten sind für ihn eine unerträgliche Last. Kein Wunder, ist er doch selbst ein echtes Unikat. Man mag ihn, oder man mag ihn nicht. „Nicht alle sind auf derselben Wellenlänge wie ich“, sagt er lächelnd, „und das ist mir auch ganz recht.“ Er ist ein redegewandter, leidenschaftlicher Mann. Und das nicht nur in der Küche. Er liebt das Leben, die Menschen und ihre Geschichten.
„Arbeite niemals in der Gastronomie“
„Ich bin in der Küche meiner Eltern aufgewachsen. Sie hatten eine Pizzeria. Ich wohnte damals im Viertel Eich. Immer und immer wieder haben sie mir gesagt: ‚Arbeite niemals in der Gastronomie.‘“ Diesem Rat folgt er auch … zumindest für eine Weile. Denn einschränken lässt sich Annicchiarico nicht gerne. „Ich wollte mich in den Dienst der Menschen stellen. Das hat man mir von Kind auf beigebracht. Also arbeitete ich als Kundenberater im Finanzwesen und auch als Immobilienmakler. Ich fuhr ein teures Auto, verkaufte millionenschwere Häuser an Kunden, die nie in diesen Häusern wohnten.“
So nimmt sein Leben seinen Lauf und er gründet eine Familie. Nach der Geburt seines ersten Kindes beginnt er, genauer darauf zu achten, was auf den Tisch kommt. Als einige Jahre später sein zweites Kind geboren wird, beschließt er, etwas zu ändern, da sein Alltag nicht seinen Wertvorstellungen entspricht. „Ich wusste nicht, welche Zukunft ich meinen Kindern mit diesem Leben bieten konnte.“
„Kochen war für mich wie Therapie“
Im Alter von 38 Jahren setzt er daher die Segel und begibt sich in bislang verbotene Gewässer. „Abends nach der Arbeit hatte ich schon eine ganze Weile das Bedürfnis, vollkommen abzuschalten. Also kochte ich. So wie andere eine Therapie machen.“ Er benutzt seine Hände, tut das, was er liebt und was ihn befreit. Mit der Unterstützung seiner Frau (heute Ex-Frau und Geschäftspartnerin) beginnt er ein neues Leben. „Ich war 38 Jahre alt und hatte keine Lust, eine klassische Ausbildung in der Gastronomie zu machen, zumal ich bereits Vegetarier war. Zunächst habe ich Bars zur Happy-Hour-Zeit Fast Food angeboten. Dann hatte ich einen Foodtruck, mit dem ich bei Festivals vegetarische Gerichte verkaufte.“
„Ich habe mir alles selbst beigebracht“
Er startet daraufhin einen veganen Partyservice, moderiert Kochsendungen für die Stadt Dudelange. 2019 eröffnet er schließlich das Oak, sein eigenes Restaurant in der Nähe des Bahnhofs in Luxemburg-Stadt. „Ich kochte, kümmerte mich aber auch um den Service, was mir ermöglichte, meine Leidenschaft mit den Gästen zu teilen. Wir hatten 20 Plätze. Es war gut, gesund und gesellig. Ich habe mir alles selbst beigebracht“, sagt Fabrizio Annicchiarico wehmütig. In seinen Worten klingt der schmerzliche Verlust seines Vaters mit, der „von einem Tag auf den anderen im Schlaf verstarb“. Zwanzig Jahre ist das nun her. Doch für Annicchiarico ist dieser Tag noch sehr präsent, zumal er mittlerweile selbst Vater ist. „Das bringt mich ins Grübeln. Ich sollte mich mehr ausruhen“, gibt er zu.
Pure – ein besonderes Erlebnis
Als die Covid-Pandemie über das Land rollt, brechen harte Zeiten für den jungen Restaurantbesitzer an. Er hält durch und gibt seinen Traum nicht auf. Bis zu dem Tag, an dem ein Kunde in Begleitung der Direktorin des Mudam ins Oak kam. „Einige Monate später, am 21. Juni 2022, eröffnete ich das Pure im Museum für zeitgenössische Kunst. Das hat mich noch einmal vorangebracht. Ich habe von rund 7.000 Portionen pro Jahr auf etwa 25.000 aufgestockt. Wenn man das einmal ausrechnet, sind das 8.000 Tiere, die nicht geboren wurden, um getötet zu werden, und mehr als 33 Millionen Liter Wasser, die eingespart wurden [mehr als 13 olympische Schwimmbecken. Anm.d.Red.] … Da sagt man sich: Du machst einen Unterschied, deine Taten sind im Einklang mit deinen Werten.“
Neue Horizonte
Und wie geht es nun weiter? „Ich will mich auf diese Werte zurückbesinnen. Das Pure war eine wunderbare Erfahrung, aber ich möchte zu einem klassischen Modell zurückkehren.“
Daher verlässt der geschäftige Chefkoch den Kirchberg und bricht auf zu neuen kulinarischen Abenteuern. Die Fortsetzung folgt „nach einer kleinen Pause“.