Morris Clip gibt den Ton an
Dass Morris Clip irgendwann in einer Küche stehen würde, war immer klar. Sein Vater war Direktor der Hotelfachschule in Libramont. Schon sein Urgroßvater hatte dort ein Hotel gekauft. „Ich glaube, diese Dinge haben sich ganz selbstverständlich entwickelt. Ich habe mir da nie viele Fragen gestellt“, sagt Clip. „Ich habe mich für die Küche entschieden und bin damit sehr zufrieden: Denn ich tue den Leuten etwas Gutes.“
Seit der Eröffnung im September 2017 ist er Chef des Restaurants „Tempo“ im Erdgeschoss der Philharmonie. „Tempo“ klingt sportlich und nach Musik. Und auch in seinem „Untert„itel“ schlägt das Etablissement einen Ton an, der ein wenig anders als andere ist: „Bar où manger“. Der Gault&Millau kürte das Restaurant zum „POP of the Year 2019“ – eine neue Auszeichnung für besonders trendige und populäre Lokalitäten. „Das war so, als ob es
vom Himmel gefallen wäre“, sagt Clip (45). Weitere Ehrungen, ob Sterne oder Kochmützen, seien nicht sein Ziel: „Ich gehöre nicht zu den Küchenchefs, die unbedingt einen Stern haben wollen. Es geht sehr gut ohne.“
Kein Zweifel: Die Lage auf dem Kirchberg bestimmt das Geschehen im „Tempo“. Morgens kommen die ersten Kunden auf dem Weg ins Büro auf einen Kaffee und ein Croissant vorbei. Am Mittag ist es stets rappelvoll: „Es gibt viele Unternehmen, es gibt die Einrichtungen der europäischen Institutionen, es gibt viele Infrastrukturen rund um uns herum.“ Der Abend beginnt im Tempo schon um 17.30 Uhr, noch vor den Konzerten in der Philharmonie. Und er endet oft erst gegen Mitternacht, wenn auch jene gegessen haben, die erst nach einem Konzert speisen wollten.
„Das ist ein langer Tag“, sagt Clip. Solche Arbeitszeiten sind besonders schwierig in einer Branche, die ohnehin Mühe hat, Mitarbeiter zu finden. „Das erfordert unglaubliche Opfer“, sagt Clip. Weswegen er seine Mitarbeiter als „Menschen, mit denen man sehr viel teilt“, sieht. „Wie eine Familie“ sei das, man komme sich sehr nahe.
Das „Tempo“ ist aber nicht nur eine Versorgungsstation für Geschäftsleute, Beamte und Musikfreunde. „Auch wenn all diese Kunden gar nicht existieren, kommen dennoch sehr viele Leute einfach aufgrund der Mundpropaganda hierher“, sagt Clip – und in seiner Stimme schwingt neben Freude auch ein bisschen Überraschung mit. Im vergangenen Juli, als sich schon Stille über die Philharmonie und auch über die Büros auf dem Kirchberg zu legen begann, habe das „Tempo“ einen seiner besten Monate gehabt – ein Zeichen dafür, dass das Restaurant mit jeweils 80 Plätzen drinnen und draußen über die unmittelbare Nachbarschaft hinweg ausstrahlt. Mittlerweile muss man reservieren, um einen Platz zu finden. „Sogar die Kundschaft aus der Philharmonie reserviert. Das ist sehr schön.“
Ich habe mich für die Küche entschieden und bin damit sehr zufrieden: Denn ich tue den Leuten etwas Gutes.
Lockere Atmosphäre und leckeres Essen – das ist die Mischung, mit der sich Clip auskennt. In Belgien arbeitete er für eine Traiteur-Gruppe, danach war er fünf Jahre lang Küchenchef im familieneigenen Hotel und hatte anschließend neun Jahre lang in Transinne sein eigenes Lokal („La Bicoque“). 2011 schließlich, als er gerade mit dem Gedanken spielte, in Marrakesch ein Restaurant zu eröffnen, bot ihm Laurence Frank an, die Küche ihrer „Brasserie Schuman“ zu übernehmen. Dort blieb er fünf Jahre: „Die Brasserie war für meinen beruflichen Erfolg sehr wichtig.“
Und nach einem kurzen Intermezzo im „Franz“ holte ihn Stéphanie Jauquet, Gebieterin über „Cocottes“, „Um Plateau“ und „A Table“, für ihr neues Projekt „Tempo“. Clip sagt, für ihn sei es darauf angekommen, dass er nicht unter Jauquet, sondern gemeinsam mit ihr arbeiten könne: „Man hat Glück, wenn man mit ihr arbeiten kann.“
„Wir stützen uns auf ein Konzept, das sich schon im Um Plateau bewährt hat“, sagt er. Gerichte, bei denen man Happen teilen könne, eine Atmosphäre, in der man reden kann. „Ein Restaurant, wo man sich entspannen kann, wo man ein bisschen etwas essen kann“, sagt Clip. Er lehnt eine Kategorisierung als „Bistronomie“ ab. „Ich mag das Wort nicht. Wir wollen nicht besser oder schlechter sein als andere. Wir sind wir.“
Natürlich gibt es auch im „Tempo“ seine „Boulettes à la bière“. Eine Küchen-Komposition, die ihn schon seit langem begleitet. „Wir machen jede Woche eine große Menge. Ich habe die nie von der Karte nehmen können.“ Clip sagt, er sei im „Tempo“ mit sich im Reinen: „Ich trage die Folgen des Lebens, das ich zu leben beschlossen habe. Und ich bin damit sehr glücklich.“
TEMPO BAR OÙ MANGER
1 Place de l’Europe
L– 1499 Luxembourg
Tel.: (+352) 27 99 06 66