Tag für Tag organisieren die lokalen Gruppen von Slow Food weltweit vielfältige Slow-Food-Events. Im Schnitt findet alle 20 Minuten eine solche Veranstaltung statt! Woher nehmen die Teilnehmer diese Energie? Und was macht ihr Konzept so erfolgreich?
Das macht Slow Food aus
Slow Food ist ein weltweites Netz lokaler Verbände, das 1989 gegründet wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, dem Verlust traditioneller lokaler Nahrungsmittel und dem wachsenden Trend zur Fast-Food-Kultur etwas entgegenzusetzen. Slow Food bringt Millionen Menschen aus über 160 Ländern zusammen, die gemeinsame Ziele verfolgen: Sie wünschen sich Essen, das gut ist, weil es gesund und schmackhaft ist. Es soll unsere Umwelt nicht belasten und ein faires Produkt sein, bei dem die Erzeuger die Wertschätzung erfahren, die sie verdienen. Die Artenvielfalt wildlebender und gezüchteter Arten sowie bestimmte Anbau- und Produktionsmethoden stehen im Mittelpunkt der Bemühungen von Slow Food.
Slow Food in Aktion
Schutz und Förderung all jener Formen der Landwirtschaft, die auf ein harmonisches Gleichgewicht mit der Umwelt setzen und auf die Herausforderungen wie Klimawandel, Ernährungsunsicherheit und Lebensmittelungleichverteilung eine nachhaltige Antwort liefern.
Wissenstransfer
Um eine Brücke zu schlagen zwischen traditionellem und hochwissenschaftlichem Wissen über unsere Nahrungsmittel, sollten universitäre Einrichtungen das im Laufe der Jahrhunderte von den Erzeugergemeinschaften erworbene Wissen angemessen wertschätzen. Vor diesem Hintergrund fördert Slow Food Initiativen für den Erfahrungsaustausch. Das ist eines der Hauptziele der 2004 gegründeten Universität der Gastronomischen Wissenschaften (UNISG) in Pollenzo.
Artenvielfalt im Dienst der Menschheit
Die Klimaerwärmung und das moderne industrielle Produktions- und Vertriebsmodell von Lebensmitteln haben die Verarmung unserer Lebensmittelvielfalt weiter verstärkt. Hier kommt Slow Food ins Spiel: Mit der Aufnahme von Produkten in den Katalog der „Arche des Geschmacks“* sowie durch die Umsetzung handfester lokaler Projekte, mit Communities wie den Presidi* oder den Märkten der Erde* im Terra Madre-Netzwerk*.
Indigene Völker sind für Slow Food wertvolle Verbündete bei der Bewältigung globaler Herausforderungen. Bisweilen tragen diese – oftmals, ohne es zu wissen – zum Schutz der Artenvielfalt bei und verfügen über wertvolle Kenntnisse über die Besonderheiten der angebauten Produkte. Slow Food setzt sich dafür ein, Projekte vor Ort mit indigenen Gemeinschaften voranzutreiben und gerade auch die jugendliche Bevölkerung zu unterstützen, indem man ihnen die Möglichkeit zur Teilnahme, zum Austausch und zum Kennenlernen gibt.
Plastik und die Ökosysteme unserer Erde: Kunststoffabfälle verwandeln sich während ihres Zersetzungsprozesses in Mikro- und Nanoplastikteilchen, die man im Wasser, in der Luft, in der Erde und schlussendlich auch in unseren Lebensmitteln wiederfindet. Slow Food fördert die Kreislaufwirtschaft, die Abfallsortierung, Kunststoffrecycling, Maßnahmen zur Verpackungsreduktion und zum Einsatz von Verpackungsalternativen aus biologisch abbaubaren Stoffen, die vergleichbare Eigenschaften aufweisen.
Zehntausend Gärten in Afrika. Im Rahmen dieses 2010 gestarteten Projekts konnten bis heute bereits fast 3000 Gemüsegärten in Schulen, Dörfern und dem Umland von Städten in 35 afrikanischen Ländern entstehen, die nachhaltig bewirtschaftet werden. Dazu zählt der sparsame Einsatz von Wasser, der Anbau lokaler Pflanzensorten und eine natürliche Schädlingsbekämpfung. Mit diesem Projekt kann die Versorgung der Gemeinschaften mit sicheren und frischen Lebensmitteln gewährleistet und damit einhergehend neben einer Verbesserung der Lebensqualität aller Beteiligten auch eine Kosteneinsparung ermöglicht werden. Ziel dieser Gemüsegärten ist es, Nahrungsmittelautonomie und Selbstversorgung zu fördern.
* Weiteres Hintergrundwissen zu den in diesem Artikel mit einem Sternchen markierten Schlüsselbegriffen von Slow Food finden Sie in unserem Slow-Food-Glossar auf der Website von Kachen.
Slow-Food-Glossar
Die Slow-Food-Communities und das Konzept vom Convivium
Jede Community bzw. Gemeinschaft und jedes Convivium bewirtschaftet einen eigenen Standort und steht in ständigem Austausch mit dem Rest des lokalen Netzes. Jede Gruppe leistet ihren Beitrag zum internationalen Netz.
Das Netzwerk Terra Madre ist Teil aller Slow-Food-Events, unterstützt lokale Lebensmittelerzeuger und Anhänger der Bewegung und leitet Aufklärungskampagnen für die Öffentlichkeit. Das Netzwerk spielt eine tragende Rolle bei der internationalen, alle zwei Jahre stattfindenden Zusammenkunft sowie den Treffen auf regionaler und nationaler Ebene. Es gibt einen weltweiten Aktionstag zu Ehren dieses Netzwerks, der alljährlich am 10. Dezember begangen wird.
Seit 2004 gibt es parallel zu der im Zweijahres-Rhythmus in Turin in Italien stattfindende Messe Salone del Gusto auch dasTreffen des Netzwerks Terra Madre. Dieses Event wird von Slow Food, der Region Piemont und der Stadt Turin co-organisiert. 2018 stellten bei diesem spektakulären Event 7000 Vertreter von Slow Food aus 150 Ländern aus.
Unter dem Dach der Slow-Food-Stiftung für Artenvielfalt machen sich die Arche des Geschmacks, die Presidi, die 10.000 Gärten in Afrika, die Allianz der Köche, die Märkte der Erde, Slow Food Travel sowie die sprechenden Etiketten für die Belange der Bewegung stark.
Die Arche des Geschmacks ist eine Art Katalog von Kulturpflanzen oder auch Nutztierrassen, die aus der Mode gekommen sind, und daher zu verschwinden drohen. Sie enthält 5000 Produkte aus 160 Ländern.
Slow Food Presidi: Projekte, mit denen Produktionsverfahren unterstützt werden, die drohen, in Vergessenheit zu geraten, die einzigartige Regionen und Ökosysteme schützen, traditionelle Herstellungsmethoden fördern und sich für den Erhalt bestimmter lokaler Pflanzensorten und Tierrassen einsetzen. Aktuell sind 577 Presidi in über 71 Ländern aktiv.
Die Slow Food Allianz der Köche ist ein großes solidarisches Netzwerk aus Köchen, die Produkte der Presidi und lokaler Kleinerzeuger für ihre Gerichte verwenden und auf diese Weise fördern.
Slow Food Travel: Mit Terra Madre begann 2016 mit Slow Food Travel ein neues Tourismus-Modell, bei dem auch Begegnungen mit Landwirten, Herstellern von Käse, Viehzüchtern, Metzgern, Bäckern und Weinbauern auf dem Programm stehen. Zusammen mit den Köchen, die ihre Produkte verwenden, repräsentieren sie ihre Region und ermöglichen sie es den Besuchern, lokale Traditionen zu entdecken.
Die Märkte der Erde. Diese von der Community organisierten Kleinerzeugermärkte werden gemäß den geltenden Richtlinien in Übereinstimmung mit der Slow-Food-Philosophie ausgerichtet. Lokale Produzenten bieten den Verbrauchern hier nachhaltig produzierte, gesunde und hochwertige Lebensmittel zu angemessenen Preisen an. Bisher gibt es insgesamt 68 Märkte der Erde in 19 Ländern.
Die sprechenden Etiketten sind ein Projekt, das im Jahr 2011 seinen Anfang nahm. Slow Food legt Wert auf eine transparente Kommunikation auf den an Lebensmitteln angebrachten Etiketten, damit die Verbraucher ihre Kaufentscheidung ganz bewusst anhand präziser Informationen zu dem Produkt treffen können.
Die Presidi-Produkte aus über 20 Ländern (sowie Unternehmen) verpflichten sich dazu, Informationen zur Pflanzensorte oder Tierrasse, den Anbaumethoden, der Tierhaltung und -verarbeitung, zu Tierschutzaspekten, den Herkunftsgebieten, den Konservierungsmethoden und Zubereitung zu geben.
Meilensteine in der Geschichte von Slow Food
- 1986 – Entstehung der Slow-Food-Bewegung in Italien
- 1989 – Gründung der internationalen Bewegung und Veröffentlichung des Gründungsmanifests Slow Food in Paris
- 1990 – Erster Kongress in Venedig und Gründung des Verlags Slow Food Editore. Erste Auflage des Gastronomieführers Osterie Italia
- 1996 – Erste Messe „Salone del Gusto“, die von nun an alle zwei Jahre in Turin stattfinden wird. Start des Projekts „Arche des Geschmacks“
- 1997 – Erste internationale Cheese-Messe in Bra (Italien), die von nun an alle 2 Jahre stattfinden wird
- 2000 – Start der Slow-Food-Presidi
- 2003 – Gründung der Slow-Food-Stiftung für Artenvielfalt
- 2004 – Das Treffen von Terra Madre mit 500 Vertretern aus 130 Ländern findet zum ersten Mal parallel zum Salone del Gusto statt. Einweihung der Universität der Gastronomischen Wissenschaften (UNISG) in Pollenzo, Italien.Erste Ausrichtung der Slow Fish.
- 2009 – Gründung der Allianz der Köche und der Presidi von Slow Food. 20. Geburtstag der Slow Food Bewegung
- Am 10. Dezember eines jeden Jahres wird zur Förderung von guten, fairen und reinen Nahrungsmitteln Terra Madre mit allen Communities weltweit in geselliger Runde gefeiert.
- 2013 – Der Gründer von Slow Food Carlo Petrini erhält die höchste Umweltauszeichnung der Vereinten Nationen (Champions of the Earth).
- 2014 – Erste Slow Meat in Denver in den USA
- 2015 – Slow Food stellt einen Pavillon auf der EXPO in Mailand und lädt zu Ausstellungen zu den Themen Artenvielfalt, Gemüseanbau, Rohmilchkäse und Wein ein. Im Rahmen der EXPO gibt es vom 3. bis 6. Oktober das von Slow Food und Youth Slow Food organisierte Event „We Feed The Planet“, zu dem 2500 junge Landwirte aus der ganzen Welt zusammenkommen, um die Zukunft unserer Lebensmittelerzeugung aktiv mitzugestalten.
- 2016 – Im Mai wird Carlo Petrini von der FAO zum Sonderbotschafter der Initiative „Zero Hunger“ ernannt.
- 2018 – Start der internationalen Kampagne „Food for Change“